Das Söldnerwesen im Mittelalter

Ãœbersicht

Definition

Bereits durch seine Etymologie setzt das Konzept des Söldnerwesens voraus, dass die von ihm geprägten Beziehungen zwischen einer staatlichen bzw. herrschaftlichen Macht und den von ihr rekrutierten Kriegsleuten von (grundsätzlich, wenn nicht ausschließlich) monetärem Charakter sind. In diesem Sinne ist jedoch nicht jeder Kriegsmann, der von seinem Auftraggeber Geld empfängt, notwendig als Söldner anzusprechen (die Quellen des Mittelalters  kennen zwar gelegentlich den Begriff des "mercenarius", der aber zumeist einen besoldeten Dienstmann im allgemeinen Sinne, sehr selten aber einen Kriegsmann bezeichnet, wohingegen das französische Wort soudoyer, dessen lateinische Entsprechung "solidarius" und "stipendiarius" sind, seit dem 12. Jahrhundert in altfranzösischen Texten erscheint); vielmehr ist die Anwendung des Begriffes des Söldners auf einen (besoldeten) Kriegsmann dann unangemessen, wenn dieser in feudalen oder verwandtschaftlichen Beziehungen zu seinem Auftraggeber steht oder ihm durch starke landsmannschaftliche oder "nationale" Bindungen verpflichtet ist. Daher ist bei jedem militärischen Verhältnis die Frage zu berücksichtigen, mit welcher Intention oder aus welchen vorrangigen Motiven die jeweilige politische Gewalt bzw. der jeweilige Kriegsmann eine Rekrutierung vornahm bzw. sich rekrutieren ließ. Hier spielt die Mentalität eine dominierende Rolle.

Früh- und Hochmittelalter

Auch wenn die Quellen hierüber weitgehend schweigen, ist keineswegs ausgeschlossen, dass in der Periode des Frankenreiches "öffentliche" wie "private" Gewalten Krieger gegen Entgelt (Naturalien oder Geld) in ihren Dienst nahmen. Das sich in der nachfolgenden Periode voll ausbildende Lehnssystem, das vor allem in Frankreich und England (nach 1066) seine stärkste Ausprägung erfuhr, sah vor, dass der Lehnsmann als Gegenleistung für das empfangene Lehen dem Lehnsherrn (bzw. mehreren Lehnsherren) unbezahlten Heeresdienst schuldete, wobei die Einkünfte aus dem Lehen gleichsam als übliche "Bezahlung" für die geleistete Heerfolge betrachtet wurden. Damit waren Organisation der Heere und Organisation der Feudalgesellschaft (im Sinne des von M. Bloch geprägten Begriffs der société féodale) nicht nur eng miteinander verzahnt, sondern bildeten gleichsam eine organisatorische Einheit. Die Heere jenes Zeitalters spiegelten in ihren institutionellen und sozialen Strukturen das Über-, Neben- und Untereinander der feudalen Mächte wider. Die Art und Dauer des feudalen Heeresdienstes ("servitium debitum") wurden im Allgemeinen durch das Lehnsrecht sorgfältig definiert, wobei es auch zu (gerichtlichen) Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kommen konnte. Ebenso hatten auch die städtischen Gemeinwesen kostenlos Heereskontingente (Berittene, aber vor allem Fußsoldaten) zu stellen. Um diese Kontingente aufzubringen, warben die Städte Freiwillige an, die sie in der einen oder anderen Weise unterhielten und die somit - in gewisser Weise - als Söldner betrachtet werden können.

Wandel in der Kriegsführung

Infolge tiefgreifender Wandlungen in der Kriegsführung und der wachsenden finanziellen Mittel die den Staaten zur Verfügung standen, erfolgte um die Mitte bzw. im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts eine merkliche Wandlung: Die Plantagenèt, in geringerem Umfang auch die Kapetinger und die Staufer, übertrugen die Kriegsführung vielfach an umherziehende Scharen (Rotten, routiers), die etwa als Brabanzonen oder "Cotteraux" bekannt - jederzeit für Kampfeinsätze gegen Bezahlung verfügbar und wegen ihrer Brutalität gefürchtet waren. In diesem Zusammenhang ist auf den Einsatz von "Rotten" durch den Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg gegen Heinrich den Löwen 1179 hinzuweisen. Doch kam dieses Phänomen frühen Söldnertums in Frankreich und England des 13. Jahrhunderts sowie im Reich wieder weitgehend zum Erliegen.

An der Wende des 13. zum 14. Jahrhunderts führten die Kriege zwischen Eduard I. von England und Philipp IV. von Frankreich zu neuen sozialen und politischen Wandlungen, die mit dem Ausbruch des Hundertjährigen Krieges eine ausgesprochene Intensivierung erfuhren. Von nun an wurde die Heeresorganisation dominiert von entlohnten Truppen, die ihren Sold täglich, monatlich, alle paar Monate oder gar jährlich erhielten. Eine Armee aufzustellen bedeutete nunmehr, vorab ihre Finanzierung zu sichern. Ein Feldherr warb seine Truppen in dem Moment an, der ihm eine Bezahlung, welche die "Soldaten" vom ersten Tag des Feldzugs an erwarteten, möglich machte.

Sold und Söldner

Dies bedeutete zum einen, dass das Problem der Besoldung die anderen mit einem Kriegszug verbundenen Fragen an prekärer Bedeutung oft übertraf: Die kriegführenden Staaten, die immer knapp an flüssigem Geld waren, schafften es zumeist nicht (trotz häufiger Geldentwertung), ihre Verpflichtungen hinsichtlich der Soldzahlungen wirklich einzuhalten. Dies galt in besonderem Maße für die französische Monarchie, deren Soldverträge (lettres de retenue) stets nur eine Anzahlung des gesamten Soldbetrages folgte. Die englische Monarchie war ihrerseits dagegen weitaus sorgsamer darauf bedacht, den in ihren Soldverträgen (indentures) festgesetzten Zahlungsverpflichtungen auch tatsächlich nachzukommen. Auf jeden Fall stellten die Soldzahlungen nur einen Teil des Profits der Kriegsleute dar; andere Einnahmequellen wie vor allem Lösegelder (Kriegsgefangene) und Beuteanteile waren oft umfangreicher und folglich attraktiver. Hinzuzufügen ist, dass die Kriegsleute stets versucht waren, in Feindes-, aber auch Freundesland für das, was sie konsumierten, so wenig wie möglich zu zahlen, was den ursprünglich eher als Entschädigung für Ortswechsel konzipierten Sold zu einem fast ausschließlichen Reingewinn werden ließ. Andererseits machten Söldner im eigentlichen Sinne (soudoyers aventureux) nur einen Teil der Armeen aus, selbst der besoldeten. Die adligen Untertanen, die dem König von Frankreich dienten, können wegen ihres Rechtsstatus' und ihrer Einkünfte nicht als Söldner betrachtet werden, auch wenn sie den Empfang eines Soldes als selbstverständlich und unabdingbar ansahen. Demgegenüber können als Söldner gelten: die genuesischen Armbrustschützen, die zu Wasser und zu Lande Philipp IV. von Valois dienten, die Lombarden, Spanier und Schotten im Solde Karls VII., die von Ludwig XI. und Karl VIII. für die Bretagne- und Italienzüge angeworbenen Schweizer sowie die englischen Bogenschützen unter Karl dem Kühnen. Die ausländischen Kriegsleute können selbst dann als Söldner angesehen werden, wenn ein Bündnis zwischen ihren Landesherren und demjenigen, der sie anstellte, bestand (z. B. die sogenannte Auld Alliance zwischen Frankreich und Schottland). Das Söldnertum impliziert auch ein Fehlen beruflich-zünftischer Bindung, des geregelten Einkommens und des Sozialstatus', einen Bruch mit dem Herkunftsmilieu, der bis zur Entwurzelung reichen konnte. Die Söldner waren keine Adligen, die häufig (aus Neigung zu Krieg und Beutemachen oder Verpflichtung) an den Kriegen ihres Fürsten teilnahmen, sondern professionelle Kriegsleute, für die der Krieg zugleich Mittel des Unterhalts wie Lebensinhalt war. In diesem Sinne mussten Söldner nicht zwangsläufig Fremde, sondern konnten auch Landeskinder sein.

Die betroffene Bevölkerung und die öffentliche Meinung stand den Söldnern voll Aversion, bestimmt von Furcht wie Verachtung, gegenüber. Die Haltung der Staatsgewalten war eine ambivalente: Einerseits wurden sie wegen ihres unkontrollierbaren Verhaltens und ihrer ausschließlich auf Geldgewinn gerichteten Motivation voll Misstrauen betrachtet (allerdings ist bei manchen Söldnern, über den Wunsch Profite zu machen hinaus, eine gewisse Selbstliebe und ein Stolz zu einem wehrhaften Volk zu gehören, erkennbar, ausgeprägt bei den Schweizern), die Staaten waren besorgt über die Erhöhung der Ausgaben, doch erkannten sie andererseits die professionellen Kompetenzen der im Grunde unentbehrlichen Söldner durchaus an und bemerkten, dass ihnen eine gewisse Art der Treue und Loyalität eigen war. (Karl VII. und seine Nachfolger ließen folglich ihre Sicherheit bevorzugt durch schottische Leibwachen schützen.)

Periodisierung des mittelalterlichen Heerwesens

In den unfesten Verhältnissen des Mittelalters ist auch das Heerwesen in dauerndem Fluss. Wie ein Gletscher scheint es zwar mehrmals lange starr und still zu stehen, befindet sich aber dennoch in ununterbrochener, oft kaum spürbarer Bewegung. Es ist nicht leicht an einem bestimmten Zeitpunkt als Dauer­zustand zu fassen. Es wird zwar zunächst vom Heerbann und dann bis in das spätere Mittelalter durch das Lehnskriegswesen bestimmt; aber trotz der Vorgeltung erst der volklichen und dann der vasallitischen Dienstpflicht bleibt es fast zu jedem Zeit­punkt ein schillerndes und schwankendes Gebilde. Immerhin stehen im Großen betrachtet Ruheperioden ausgesprochenen Übergangsperioden gegenüber. Die Ruheperioden weisen da­bei nicht eindeutige Zustände auf; im Gegenteil, auch in ihnen sind meist schon die Kräfte keimartig am Werke, die in der folgenden Übergangsperiode sich durchringen.

Die erste Ruheperiode war die Zeit des fränkischen Volks­milizheeres. Sie reichte bis in das ausgehende 7. Jahrhundert. Der öffentlich-rechtliche Charakter des fränkischen Reiches hatte seit den Söhnen Chlodwigs die allgemeine Wehrpflicht auch auf die römischen Provinzialen ausgedehnt und zu einer allge­meinen staatlichen Untertanenpflicht umgeformt. In dieser klaren Lösung waren dennoch schon jene Kräfte lebendig, die vom späteren 7. Jahrhundert ab für etwa 200 Jahre lang eine erste ausgesprochene Übergangsperiode herbeiführten. Diese Kräfte waren dreifacher Art. Neben dem Volksmilizheer bestand schon damals eine stehende Truppe zur unmittelbaren Verwendung des Königs. Vom praktischen Bedürfnis gefor­dert, konnte sie aus einer gallischen und einer germanischen Wurzel zugleich, aus der gallischen Vasallität und aus dem germanischen Gefolgschaftswesen hervorwachsen. Die Trustes des fränkischen Königs stellten eine stehende Truppe dar, die nicht auf Grund der staatlichen Wehrpflicht milizartig ihren Dienst versah, sondern auf Grund eines Privatvertrags und des Treueverhältnisses gegen besonderen Entgelt berufsmäßig und dauernd zur Verfügung stand. Damit war im fränkischen Heer­wesen neben der Volksmilizwehrpflicht ein söldnerischer Ein­schlag lebendig geworden.

Doch auch im Volksmilizheere selbst war er aufgekommen. Die großen Entfernungen innerhalb des fränkischen Reiches und die langsam verfallenden Reste einstiger römisch-technischer Raumbeherrschung machten es notwendig, das Heer meist nur in bestimmten Gegenden aufzubieten. So blieben weite Volks­kreise oft ungenutzt. Die Folge war, dass häufig dem fränkischen Heere zahlreiche freiwillige Krieger zuströmten, die auf Ansiedlung, Landschenkung, Belohnung und Beute hofften. Im Laufe der Zeit wurden die Militärkolonien in den Marken durch solche freiwilligen Krieger bevölkert. Sie bildeten als Siedler eine stets kriegsbereite Truppe, die über die Milizheerespflicht der Masse hinaus erhöhte Verpflichtungen besaß. Diese drei söld­nerartigen Erscheinungen, die Gefolgschaften, die beute- und land­suchenden Freiwilligen und die angesiedelten naturalwirtschaft­lichen Berufskrieger, traten in der ersten Ruheperiode zu wenig hervor, als dass deren einheitlicher Charakter hätte getrübt werden können. Doch sie waren die Keime, aus welchen in der folgenden Übergangszeit die neuen Mächte hervorsprossen, um gegen das alte einheitliche Heerwesen in den inneren Kampf zu treten.

Die erste Übergangsperiode umfasste im Wesentlichen das 8. und 9. Jahrhundert. Sie brachte an Stelle der bisherigen Ein­heitlichkeit einen ausgesprochenen Dualismus. Neben das Wehr­pflichtmilizheer des Volkes trat das Vasallenheer. Anfänglich war die neue Form dem alten Volksaufgebot an Bedeutung noch weit unterlegen. Dann konnte sie sich aber, vom geschichtlichen Schicksal geradezu erzwungen und vom Reiche selbst gefördert, mehr und mehr ausbreiten und schließlich trotz der späteren Gegenwirkung des Staates im 9. Jahrhundert den vollen Sieg über das Volksheer davontragen. Mit der Vergrößerung des abend­ländischen Reichs waren die kriegerischen Aufgaben gewachsen. Zwischen dem friedlichen Wirken des Volks und dem kriegeris­chen Bedürfnis des Staates warf die kulturelle Disharmonie eine Kluft auf. Sie begann das Volksmilizheer auszuhöhlen und zu entkräften. Die Verpflichtung zum Kriegsdienst nach Maßgabe des Vermögens bedeutete die erste Anpassung an den neuen Zwang. Eine weitere trat im Stellvertretungssystem hinzu. Mit diesem war sogar ein söldnerischer Einschlag in die Verbände des Volksheeres unmittelbar eingedrungen. Was aber den beiden Jahrhunderten erst ihren ausgesprochenen Übergangscharakter verlieh, war das Vasallenheer, das sich als eine neue Erscheinung neben dem Milizheer heranbildete. Es bedeutete eine radikale Durchbrechung des alten Wehrpflichtgedankens. Mit dem Auf­stieg der neuen Dynastie und der Erweiterung der kriegeri­schen Aufgaben war ein neues militärisches Bedürfnis aufge­treten. Rasch bewegliche Truppen wurden bei der Ausdeh­nung des Reiches unentbehrlich. Mit dem 7. Jahrhundert setzte zugleich jene Wanderkriegswelle ein, die bis ins 10. Jahrhun­dert von Süd, Ost und Nord flügge, berittene oder auf schnel­len Schiffen bewegliche Gegner bis tief in das Innere des Reiches schwemmte. Ihre ewigen Angriffe konnten durch das schwerfällige Volksmilizheer auf die Dauer nicht abgedämmt werden. Die Überlegenheit der arabischen und ungarischen Reiter war durch den Kriegsdilettantismus bürgerlicher Fußheere nicht zu brechen. So kam der militärische Zwang zum berittenen Berufskriegertum dem allgemeinen kulturellen Bedürfnis nach einer friedlich-bürgerlichen und einer kriegerisch-soldatischen Gliede­rung des Volkes entgegen. Beide Bedürfnisse verschmolzen und führten die große Wandlung herauf. Für deren Formung wurden zwei Zeitkräfte entscheidend, der naturalwirtschaftliche und der aristokratische Zeitcharakter. Es kam darauf an, eine mobile Heeresmacht berittener Krieger für das Reich zu schaffen. Der Zweck war also ein ausgesprochen öffentlich-rechtlicher. Ein geldwirtschaftliches Söldnertum, das in geldwirtschaftlichen Epo­chen die natürliche Abhilfe bedeutet hätte, schied angesichts des naturalwirtschaftlichen Zeitcharakters aus. Auch war es nicht möglich, das neue Reiterheer aus Unfreien zu bilden, wie sie etwa später in der sozial gehobenen unfreien Ministerialität eine so hohe Bedeutung im Kriegswesen gewannen, oder solche gar truppenmäßig zusammenzuhalten. Dies schloss der kriegerische Geist der freien oberen Stände ebenso aus, wie die Unfähigkeit der Zeit, größere Massen zentral zu verpflegen. Auch die An­siedlung naturalwirtschaftlicher Söldner im Innern des Reichs nach Art der früheren fränkischen Markensiedlung wurde durch die gleichen Umstände verwehrt. Zwar entzogen sich breite bäuerliche Schichten gern und bewusst dem Krieg; zugleich aber boten sich in den aufstrebenden Kreisen der Aristokratie genü­gende Kräfte dar, die gewillt waren, gerade den Kriegsdienst als Stufenleiter neuer Machterhöhung zu benutzen und daher mit Leidenschaft den Krieg erstrebten und als Vorrecht betrachteten. Der Gedanke lag nahe, den Bedarf durch Vermehrung der könig­lichen Trustes und Vasallen zu decken. Die Vasallenpflicht war ja überhaupt allmählich vornehmlich auf den Kriegsdienst be­zogen worden. So waren an sich schon seit langem viele Va­sallen neben den Trustes zum Reiterdienst verwandt worden. Ja, unter der neuen Bezeichnung der Kronvasallen war jener ältere Titel verschwunden. Aber eine solche Vermehrung, die, wenn sie hätte ausreichen sollen, mit einer entsprechenden Ver­mehrung der von den Kronvasallen abhängigen Aftervasallen und der Privatvasallen hätte verbunden sein müssen, war auf der bis­herigen Basis der Schutzgewährung oder der Lebensunterhaltung angesichts der gesteigerten Kriegsleistung ausgeschlossen. Weder die alte Vasallität noch das alte Gefolgschaftswesen, noch die aus beiden erwachsene neue militärische Vasallität genügten, um das kriegerische Bedürfnis zu decken. Sie mussten sich vielmehr mit dem Benefizialwesen verschmelzen. Das Zeitalter Karl Martells brachte den endgültigen Durchbruch der neuen Form. In­dem der König, also der Staat, Ländereien an seine Kronvasallen zunächst zur eigenen Nutzung, aber auch zur Weitergabe an ihre Privatvasallen als Entgelt für den schweren beruflichen Reiter­kriegsdienst verausgabte, war das Lehnswesen geboren. Dieses war die synthetische Form, welche die naturalwirtschaftlichen, aristokratischen, kulturellen und militärischen Bedürfnisse und Voraussetzungen verschmolz. Sie war vom fränkischen Staat zu einem öffentlichen Zweck geschaffen worden, bediente sich aber privatrechtlicher Formen. Das private Vasallitätsverhältnis wurde in den Dienst des öffentlich-rechtlichen Wesens gespannt. Die Wehrpflicht blieb auch jetzt rechtlich unangetastet; aber man fügte in sie zur Bildung des neuen Heeres praktisch das Lehnsverhältnis ein. Das System der Privatgefolgschaften wurde im Lehnswesen neu organisiert und zugleich verstaatlicht. So be­deutete die neue Form zwar eine Abkehr von der staatsge­fährdenden Erscheinung des Privatgefolges, aber doch auch eine Auflockerung der staatlichen Wehrpflicht. Der privatrecht­liche Charakter der Vasallität wurde nicht durch einen staats­rechtlichen abgelöst, sondern von einem staatsrechtlichen über­wölbt. Hiermit war der einheitliche Charakter des Heeres durchbrochen. Neben dem zusammenschmelzenden und in sich söldnerisch erschütterten Volksmilizheer schwollen Größe und Be­deutung des Vasallenheeres in steigendem Maße an. Die schwa­chen Keime privatrechtlicher und söldnerischer Art, die in der ersten Ruheperiode still und abgerückt lebendig waren, hatten sich zu spürbarer Kraft erhoben und den Dualismus der ersten Übergangszeit geschaffen. Mit dem Sieg des neuen vasallitischen Prinzips begann dann seit dem Tode Karls II. die etwa 3oojährige Herrschaft des mittelalterlichen Lehenskriegswesens. Sie führte vom ausgehenden 9. bis an die Schwelle des 13. Jahr­hunderts eine neue Epoche vorwaltender Einheitlichkeit und damit die zweite Ruheperiode im Heerwesen herauf.

Diese umfasste die Epoche der Vorherrschaft des mittelalter­lichen Lehnskriegertums. Im 10. Jahrhundert wurde in der abend­ländischen Welt allgemein der miles, der Reiterkrieger, als Vasall und Lehnsträger auf Grund von Wehrpflicht und Lehenanteil auch zum Träger des Kriegs. Das Volk und mit ihm die allgemeine Wehrpflicht traten zurück. Nicht als ob es überhaupt vom Kriege ausgeschlossen worden wäre. Das Recht der Aufbietung blieb an sich bestehen und nicht selten scharten sich die zu Fuß kämpfenden friedlichen Volksteile neben das kriegerische vasallitische Reiterheer. Auch freie Allodbesitzer, die Mannschaft der Städte und Unfreie traten im Kriege auf; aber das Lehnsreiterheer war nichtsdestoweniger der tragende Grundpfeiler des Krieges geworden.

Im 13. Jahrhundert, ja eigentlich schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war diese zweite Ruheperiode beendet. Wieder hatte sich ein neuer tiefgreifender Wandel durchgesetzt. Aus dem einfachen Reiterkriegertum war ein sozialer Stand, das adelige Rittertum geworden, das sich als eine an bestimmte Formen und Voraussetzungen gebundene, übernationale Genossenschaft organisierte. Die Fähigkeit, alle kriegerischen Aufgaben zu erledigen, war ihm verloren gegangen. Das Reiterkriegertum hatte sich aristokratisiert und es verstanden, die Bestimmungen über die Dienstpflicht zu seinen Gunsten einzuschränken. Vor allem war es gelungen, den Charakter des Lehens als Vergütung für den Kriegsdienst zu verwischen und diesen von besonderen Zahlungen abhängig zu machen. Das Lehnskriegertum und der Ritterstand waren nicht mehr die unmittelbaren Träger des Kriegsdienstes, sondern fanden ihre künftige Bedeutung nur noch darin, einen Stand fortzupflanzen, der dauernd vorzügliches Menschenmaterial für den Krieg bereit hielt. Die feudale Kriegs­pflicht war zur Grundlage eines ritterlichen Soldkriegsdienstes geworden. Das alte vasallitische Lehnskriegertum war innerlich versöldnert. Hiermit war noch eine zweite wesentliche Verände­rung dem 10. Jahrhundert gegenüber verbunden. Neben dem versöldnerten Lehnskriegertum war auch das freie Söldnertum spürbar erschienen. Nicht erst gegen 1200, sondern schon früher hatte es sich ausgebreitet. Es trat in doppelter Form hervor. Einmal als Solddienst ritterlicher Herren selbst, die sich außer­halb des in sich versöldnerten Lehnskriegswesens frei an die Kriegsherren verdingten. Daneben war aber auch das niedere Volk, durch die soziale Scheidung und die Abgeschlossenheit des Ritterstandes vom Vollkriegertum abgeschnitten, in der Form eines freien Volkssöldnertums wieder in den Krieg eingedrungen. Die städtische Entwicklung und die Kreuzzüge konnten diesen Vorgang nur beschleunigen. Die immer wichtiger werdende Fern­kampfwaffe, der sich das abendländische Rittertum verschloss, war eines der Einfallstore für das Volkssöldnertum. Auch das vernachlässigte Fußkämpfertum und die leichte Reiterwaffe stan­den jenem offen. Die söldnerischen Krieger, die unter mannig­facher Bezeichnung im ganzen Abendlande auftraten, hatten im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts eine solche Bedeutung gewonnen, dass sie sich in ähnlicher Art wie später die berüch­tigten Armagnaken bandenweise in den Ländern einnisten und als Raubgesindel ihren Unterhalt finden konnten. Kaiser Friedrich I. und König Ludwig VII. von Frankreich schlossen jenen bekannten Vertrag, solcherlei Gesindel nirgends in ihren Reihen zu dulden. Acht Jahre später sprach das 3. lateranische Konzil die schärf­sten kirchlichen Strafen gegen alle derartigen Kriegsknechte sowie gegen alle ehrsamen Christen aus, die sich weigern sollten, die Waffen gegen sie zu ergreifen. Ja schon 1139 hatte das 2. late­ranische Konzil gerade die Armbrust verboten, deren kriegerische Bedeutung das Aufkommen des Söldnertums besonders unter­stützte. Der Kampf gegen die söldnerischen Räuberbanden wurde häufig durchgeführt, ohne sie freilich grundsätzlich auszurotten. Er galt wohl nur den räuberischen Auswüchsen. Aber an der Tatsache, dass sich die gesittete Welt fast ein halbes Jahrhundert lang zusammentun musste, um das aufstrebende Söldnertum in zivilisierte Schranken zurückweisen, ist ein Beweis für seine mäch­tige kriegerische Bedeutung. Das ausgehende 12. Jahrhundert wurde zu einer neuen Zeitschwelle. Jenseits von ihr begann eine neue Übergangsperiode, in der vom 13. bis 15. Jahrhundert das in sich versöldnerte Lehenskriegertum und das freie Söldner­tum nebeneinander bestehend einen neuen Dualismus zeitigten. Er wurde im 15. Jahrhundert durch den vollen Sieg des Söldnertums abgelöst, der dann eine neue dritte rein söldnerische Ruheperiode einleitete.

Quellen: Lexikon des Mittelalters in 10 Bänden (1980 - 1999).
    Paul Schmitthenner, Lehnskriegswesen und Söldnertum im abendländischen Imperium des Mittelalters, in: HZ 150 (1934), 229 - 267.